Die Offense von Kyle Shanahan: Was ist das besondere am „Scheme“? Teil 4

Fourth Quarter: Shanahan und seine Quarterbacks

Shanahans QB-Vita

Zu Beginn eine Übersicht über alle Quarterbacks, die unter Kyle Shanahan als Playcaller ein Spiel in der Regular Season gestartet haben:

Jahr bis Spieler Team
2008 2009 Matt Schaub Texans
2008   Sage Rosenfels Texans
2010   Donovan McNabb Redskins
2010 2011 Rex Grossman Redskins
2011   John Beck Redskins
2012 2013 Robert Griffin III Redskins
2012 2013 Krik Cousins Redskins
2014   Brian Hoyer Browns
2014   Connor Shaw Browns
2014   Johnny Manziel Browns
2015 2016 Matt Ryan Falcons
2017   Brian Hoyer 49ers
2017 2020 C.J. Beathard 49ers
2017 2022 Jimmy Garoppolo 49ers
2018 2020 Nick Mullens 49ers
2021 2022 Trey Lance 49ers
2022 2024 Brock Purdy 49ers
2023   Sam Darnold 49ers
2024   Brandon Allen 49ers
2024   Joshua Dobbs 49ers

 

Man sieht in über 17 Jahren waren es 20 Quarterbacks die Kyle Shanahan aufs Spielfeld schicken durfte und die dann seine Anweisungen durch den Funk im Helm erhielten. Und trotz dieser Fluktuation hat er es geschafft fast überall starke Offenses aufs Feld zu bringen, z.B.

  • Matt Schaubb –> Passing Leader 2008
  • Robert Griffin III –> Rookie of the Year 2012
  • Matt Ryan –> MVP 2016
  • Jimmy Garoppolo –> 6 Siege in den ersten 6 Spielen 2017
  • Nick Mullens –>

  • Brock Purdy –> San Francisco 49ers Season Passing Record 2023

Daher stellt sich die Frage, wie schafft es Shanahan diese Spieler, die bis auf Rookie RGIII und Matt Ryan ja doch eher aus der zweiten Reihe kamen, so gut aussehen zu lassen dabei eine so produktive Offense aufs Feld zu bekommen. Genau diese Frage führt auch innerhalb der American Football Bubble immer wieder zu Diskussionen. Und oftmals führt das auch dazu, dass die Leistung des QBs klein geredet wird:

Spezifische Anforderungen an den Quarterback

Im bisherigen Text wurde bereits ausführlich erläutert, wie Shanahan sein Playbook aufbaut, den Matchplan zurechtlegt und seine Plays called, aber was genau will er dabei vom Quarterback sehen. Zunächst ist dabei zu sagen, dass von der allgemeinen Herangehensweise sehr viele andere offensive Spitzentrainer nicht viel anders agieren werden. Sie betreiben intensives Scouting, finden Schwachstellen und versuchen ihre Stärken am besten zur Geltung zu bringen. Was jedoch der Unterschied sein dürfte, ist dass nur wenige Coaches die Plays so akribisch bis ins letzte Detail planen und damit den Spielern, insbesondere dem QB einen konkreten Plan an die Hand geben, nach denen sie agieren können. Andere Coaches verlassen sich vielleicht mehr auf Spielintelligenz (McDaniels bei Brady, Payton bei Brees) oder auf Improvisationsfähigkeiten und Athletik (Reid bei Mahomes, McDermott/Brady bei Allen), aber für Shanahan steht das nicht im Vordergrund. Vielmehr ist er der Ansicht, dass seine Plays für fast jedes erdenkliches Szenario die Antwort integriert haben und der QB das Szenario nur richtig identifizieren und dann nach dem vorgegebenen Schema handeln muss.

Im Buch von Michael Silver liest man dazu immer den Ausdruck „Plays over Players„. Dieser beschreibt eine Philosophie, bei der das Design eines Spielzugs als wichtiger angesehen wird, als die individuellen Fähigkeiten eines einzelnen Spielers. Das bedeutet, dass der Erfolg eines Spielzugs nicht davon abhängt, ob ein außergewöhnlicher Athlet eine überragende Einzelaktion vollführt, sondern ob das Schema so gut durchdacht ist, dass es unabhängig vom individuellen Talent funktioniert, wenn sich jeder an den Plan hält. Dies führt eben dazu, dass der QB viel weniger Verantwortung trägt als beispielsweise in anderen Offenses. Er muss in der Regel nicht die Protection anpassen (das macht bei Shanahan der Center) oder aktiv die WR auf andere Routes schicken. Die einzige Anpassungsmöglichkeit, die dem QB bleibt, ist die, dass ihm vom Play Caller meist noch ein zweiter Spielzug genannt wird. Zu dem kann er dann noch vor dem Snap wechseln, wenn er der Meinung ist, dass die Defense gut gegen den ursprünglich Playcall steht. Dieser nennt sich der „CAN“-Call. Oft handelt es sich dabei um einen Run, wenn ursprünglich ein Pass gecalled wurde oder umgekehrt. Diese Simplifizierung macht es dem QB tatsächlich einfach sich in der Offense zurecht zu finden und bietet somit einen hohen Floor für die Offense, kann aber auch dafür sorgen dass die Offense bzw. die Spieler in ihrer individuellen Klasse gebremst werden, wenn diese nur „Arbeit nach Vorschrift“ machen dürfen. Insbesondere mit QBs die bereits in komplexeren Offenses erfolgreich waren, können sich so Spannungen ergeben.

Während Kyle Shanahan als Offensive Coordinator der Atlanta Falcons (2015–2016) tätig war, kam es zu Spannungen mit Quarterback Matt Ryan. Diese Differenzen waren größtenteils auf Shanahans „Plays over Players“-Ansatz zurückzuführen.

Shanahan verlangte von Ryan, sich strikt an die vorgegebenen Reads zu halten und nicht auf individuelle Kreativität zu setzen. Ryan, ein erfahrener Quarterback, war es gewohnt, größere Freiheiten am Spielzugbeginn zu haben, was unter Shanahan stark eingeschränkt wurde. Zu Beginn von Shanahans Zeit bei den Falcons im Jahr 2015 hatte Ryan Schwierigkeiten, das System genauso auszuführen, wie es Shanahan verlangte, was zu einer unterdurchschnittlichen Saison führte.

In der Saison 2016 einigten sich beide auf Kompromisse – Shanahan erlaubte Ryan mehr Kontrolle an der Line of Scrimmage, während Ryan sich stärker dem System unterordnete. Laut Schilderungen von Michael Silver sollen bei dieser Einigung im Rahmen des Urlaubs im mexikanischen Cabo auch einige Tequila bei der Besprechung zwischen Shanahan, Ryan und QB-Coach Matt LaFleur geflossen sein.

Die Falcons hatten folglich in der Saison 2016 eine historisch starke Offense und erreichten den Super Bowl LI. Ryan gewann den MVP-Titel der NFL mit seiner besten statistischen Saison. Die Kombination aus Shanahans Struktur und Ryans Fähigkeiten führte zu einer nahezu perfekten Offensivmaschinerie.

Nach Aussagen von zahlreicheren Executives und Scouts gibt es je nach Scouting-Modell 10-16 Schlüsselattribute nach denen ein QB bewertet hat. Auch wenn theoretisch alle auf die gleichen Einzelwerte kommen, werden die Coaches am Ende andere Spieler bevorzugen, da ihre jeweiligen Systeme eben anderen Anforderungen haben. Die Ansprüche an den QB sind für Shanahan also nicht unbedingt ein besonders starker Arm oder agile und schnelle Beine (eher nice to have), sondern für ihn muss der QB über eine schnelle Auffassungsgabe, Entscheidungsfreude und Antizipationsfähigkeit verfügen.

Das Negativbeispiel dabei ist Trey Lance, für den man einen hohen Preis gezahlt hat, der jedoch nie die erhoffte Entwicklung nahm. Insbesondere mangelte es ihm an der Fähigkeit schnell das Feld zu erkennen, die Schlüsse daraus zu ziehen und dann im Rhythmus den Ball zu verteilen. Zwar hatte er einen starken Arm und mutmaßlich auch schnelle Beine – was auf NFL-Niveau aber nie annähernd so aussah wie auf dem College – doch war er oftmals zu zaghaft, hielt den Ball zu lange oder konzentrierte sich nicht auf seine Technik, sodass seine Pässe unpräzise wurden. Dazu kamen dann unglückliche Verletzungen, sodass er auch niemals die Erfahrung sammeln konnte, um die Defizite aufholen zu können. Daher gab Shanahan das Projekt schnell auf und konnte sich glücklich schätzen, dass er mit Purdy einen QB in der siebten Runde des Drafts gefunden hatte, der das System genauso umsetzen konnte, wie Shanahan es wollte. Obendrauf konnte Purdy sogar noch Improvisationsfähigkeiten bieten, wie sie zuvor mit Ausnahme von Matt Ryan noch kein QB im Shanahan Scheme konnte.

Die Schlüsselfaktoren für Shanahan sind demnach:

  • Der QB muss Shanahans progressionsbasiertes System schnell durchlaufen, also schnell das Feld und die Defense scannen können
  • „Hitch-and-throw“-Mentalität: Kein langes Zögern in der Pocket.
  • Deep Throws sind in der Regel weniger wichtig als präzise Pässe über die Mitte.
  • „Anticipation Throws“ – das Werfen in Fenster, bevor der Receiver dort ist

 

Shanahans eigenwillige Anlaysen

Wenn es dann um die Analyse des Spiels geht, hat Shanahan aber auch oft eine eigene Meinung, die stark von denen von Analysten, Ex-Spielern oder Podcastern abweichen kann. Insbesondere weil er den Matchplan erstellt hat, weiß er, was er vom QB gefordert hat und wie sich dieser in gewissen zu Situationen zu verhalten hat. Das kann dann entweder in die eine Richtung gehen, dass der QB ein erfolgreiches Play geliefert hat, Shanahan aber dennoch sauer auf ihn ist, weil der QB sich nicht an den Plan gehalten hat oder aber auch umgekehrt, dass Shanahan sagt, der QB habe alles richtig gemacht, weil er es genauso gespielt hat, wie vor dem Spiel im QB-Room besprochen. Insbesondere die Saison 2015 mit Matt Ryan kann dafür als Beispiel herangezogen werden, als es eben vermehrt zu Konflikten zwischen Ryan und Shanahan kam. Auch mit Brock Purdy gab es bereits Szenen, in denen Shanahan nicht gefiel, dass Purdy sich so vom Playcall gelöste:

Als Gegenbeispiel gibt es dann aber eben auch Szenen, die nicht positiv ausgegangen sind, in denen Shanahan seinem QB aber entgegen der öffentlichen Meinung keinen Vorwurf macht, weil er sich genauso verhalten hat, wie vor dem Spiel besprochen. Beispiel dafür ist folgende Interception im Spiel gegen die Rams im Dezember 2024:

Wie bereits aus dem Post ersichtlich war sich der Podcaster und TV-Experte Adrian Franke schnell sicher, dass hier Purdy einen massiven Fehler gemacht hat, in dem er den Ball auf den tief gehenden, einen nach einem Double-Move tief laufenden Jauan Jennings warf, anstatt den einfachen Ball auf den freien Receiver underneath zu nehmen. Der Ausgang gibt ihm dem Augenschein nach auch Recht.

Es gab jedoch auch schon früh andere Meinungen, die meinten, dass hier der Receiver mindestens eine Mitschuld trägt (oder gar die Schiedsrichter), weil er die Route zu früh abgebrochen hat und zumindest die Interception verhindern musste. Hier der Ausschnitt aus JT O’Sullivans Analyse von QB-School:

Und tatsächlich bestätigte auch Kyle Shanahan nach dem Spiel, dass Purdy hier grundsätzlich die richtige Entscheidung getroffen hatte, da es genau der Look war, den man vor dem Spiel sich für dieses Play gewünscht hatte: WR im One-on-One gegen den kleineren CB, von dem erwartet wurde, dass er auf den Stutter Step hereinfallen würde und Jennings dann das Duell gewinnen sollte. Leider war dem nicht so und Shanahan machte auch unter anderem den frühen Druck der D-Line, sowie eine fehlende Flag der Schiedsrichter dafür verantwortlich, aber er sah keinen Fehler beim Read von Purdy.

Und dies zeigt dann auch recht gut, welche Gefahren dann aber auch im sonst viel gelobten Shanahan-Scheme liegen, wenn ein Play aufgrund der Ergebnisse des Scoutings eigentlich funktionieren müsste, aber äußere Umstände, wie Schiedsrichterentscheidungen, Fehler der Receiver oder unerwartete Defensive Calls, wie beispielsweise der Blitz von Chiefs CB McDuffy im Super Bowl 2024 dazu führen, dass es nicht funktioniert. Hier liegt dann noch Potenzial für Shanahan, sein Scheme weiterzuentwickeln. Vielleicht in Zusammenarbeit eines smarten QBs, dem auch mehr Verantwortung zugestanden werden kann, wie beispielsweise Matt Ryan 2016.

Sind alle Shanahan-QBs „Game-Manager“?

Spätestens seit der Zeit mit Jimmy Garoppolo hält sich der Mythos, dass in Shanahans Offense ja im Grunde jeder QB gut aussehen und erfolgreich spielen könnte. Wer sich die Liste an QBs ansieht, die unter Kyle Shanahan gestartet haben, wird aber schnell erkennen, dass dem nicht so ist. Wie beschrieben braucht der QB dazu auch gewisse Schlüsselattribute, um das System perfekt ausnutzen zu können.

Quarterbacks, die im System von Kyle Shanahan spielen, werden häufig als „Game Manager“ bezeichnet – eine Beschreibung, die suggeriert, dass ihre Hauptaufgabe darin besteht, das Playcalling effizient auszuführen, anstatt durch individuelle Brillanz Spiele zu entscheiden. Doch bedeutet das automatisch, dass Quarterbacks unter Shanahan schwächer sind als ihre Kollegen in anderen Systemen? Die Antwort darauf ist komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Tatsächlich hat Shanahan mehrfach bewiesen, dass er Quarterbacks, die außerhalb seines Systems als mittelmäßig galten, auf ein höheres Leistungsniveau heben kann – auch wenn sie selten als echte Elite-Spielmacher wahrgenommen werden.

Ein Blick auf die jüngere NFL-Geschichte zeigt, dass Quarterbacks wie Jimmy Garoppolo, Jared Goff oder Ryan Tannehill in Systemen, die aus der Shanahan-Schule stammen, konstant produktiv gespielt haben – allerdings ohne, dass sie individuell auf MVP-Niveau agierten. Garoppolo führte die 49ers 2019 bis in den Super Bowl, war jedoch in klassischen Dropback-Situationen ohne Play-Action lediglich der 19.-beste Passer der Liga. Jared Goff erreichte mit den Rams unter Sean McVay ebenfalls den Super Bowl, wurde aber nie als herausragender individueller Quarterback betrachtet. Tannehill, der in Miami wenig Erfolg hatte, erlebte in Tennessee unter einem systemverwandten Scheme eine spürbare Leistungssteigerung. All diese Beispiele zeigen, dass das Shanahan-System dazu neigt, durchschnittliche Quarterbacks in einem strukturierten Umfeld produktiver zu machen – ohne dass sie deshalb als Top-QBs der Liga gelten.

Der Grund dafür liegt in der Art und Weise, wie Shanahans Offense aufgebaut ist. Sein System basiert auf klar strukturierten Progression Reads, Play-Action, Motion und definierten Passfenstern, die es dem Quarterback erleichtern, den Ball schnell und effizient zu verteilen. Dadurch wird der individuelle Einfluss des Quarterbacks reduziert, da viele Würfe durch das Scheme und nicht durch außergewöhnliches athletisches Talent entstehen. Shanahans Offense verlangt keine tiefen, risikoreichen Pässe in enge Fenster, sondern setzt auf Präzision im Kurz- und Mitteldistanzspiel sowie darauf, dass Yards nach dem Catch (YAC) durch die Playmaker generiert werden. Gleichzeitig wird von Shanahans Quarterbacks erwartet, dass sie sich strikt an die Progression halten und nicht von der Struktur abweichen. Diese „Plays over Players“-Philosophie macht das Schema wichtiger als die individuelle Klasse des Spielmachers.

Allerdings bedeutet das nicht, dass Quarterbacks unter Shanahan automatisch limitiert sind. Das beste Gegenbeispiel ist Matt Ryan, der 2016 in Shanahans Offense eine MVP-Saison spielte und die Falcons bis in den Super Bowl führte. Ein Jahr zuvor hatte Ryan noch Schwierigkeiten, das System exakt auszuführen und im nächsten Jahr war er der MVP der Liga. Auch Brock Purdy, zeigt, dass ein Quarterback mit den richtigen Eigenschaften – schnelles Processing, präzise Kurzpässe und disziplinierte Play-Execution – unter Shanahan außergewöhnlich erfolgreich sein kann und bringt mit seiner Agilität und seinen Improvisationsfähigkeiten noch ein neues Level in die Offense, die Shanahan so bisher nicht hatte.

Vor allem ist es schwierig Spieler miteinander zu vergleichen die in verschiedenen Systemen spielen, die unterschiedliche Anforderungen an den QB stellen. Wird ein QB nicht gemäß seinen Stärken eingesetzt, wird er dort auch nicht erfolgreich sein, auch wenn er ein in gewissen Attributen möglicherweise unter den besten 3 seiner Position rangiert. Die besten Coaches zeichnet es aus, dass sie die Stärken ihrer QBs meistbringend ausnutzen und Situationen vermeiden, in denen die Schwächen hervorstechen. Man hätte Peyton Manning niemals in eine Option-Offense setzen können oder aber Drew Brees in eine Air Raid Offense mit vielen tiefen Bällen. Und so ist es auch bei Kyle Shanahans Quarterbacks, den „Game Managern“. Das System verlangt von Ihnen in der Regel nicht den Ball lange zu halten und dann im Rückwärtsfallen 30 Yards tief auf die Backshoulder des X-Receivers zu werfen. Stattdessen braucht es eben schnelles erkennen der Spielsituation und gute Entscheidungen. Gemäß dem Motto „Jedem wie ers mag“, lässt sich somit sagen, dass auch wenn die Position vom Namen her die gleiche ist und auch die elementare Aufgabe identisch ist, ein direkter Vergleich zwischen QBs in unterschiedlichen Systemen und Teams, wenn überhaupt nur bedingte Aussagekraft hat.

Overtime:

Kritik

Natürlich sollen bei einem solchen Artikel auch kritische Stimmen Erwähnung finden. Michael Silver schreibt in seinem Buch vor allem davon, dass es Shanahan als Coach schwer fällt in sog. Soft Skills zu glänzten. Er kann also sehr direkt und sogar unfreundlich zu seinen Assistenten und Spielern sein, worüber sich einige Ex-Assistenten dann nach ihrer Zeit unter Shanahan auch beschwert haben. Das sei einer der Hauptunterschiede zwischen ihm und McVay, der deutlicher charmanter und verständnisvoller rüberzukommen scheint. Auch Assistenten wie Mike McDaniel oder Matt LaFleur berichten, dass sie, wie auch Spieler wie Matt Ryan oder Jimmy Garoppolo des Öfteren mit Shanahan lautstark aneinandergeraten sind. Hier zeigt sich bei Shanahan wohl eine leicht cholerische Ader, wie man sie auch z.B. als der Sternegastronomie kennt, wo Perfektion ebenso wichtig ist, wie in Shanahans System.

Außerdem wurde Shanahan in der Vergangenheit für sein Playcalling in wichtigen Spielen kritisiert. Insbesondere seine Entscheidungen in Super Bowl LI (als Offensive Coordinator der Falcons) und Super Bowl LVIII (als Head Coach der 49ers) stehen zur Debatte, wo er es jeweils nicht schaffte einen deutlichen Vorsprung ins Ziel zu bringen. Eine weitere Schwäche Shanahans ist seine Tendenz, zu sehr an seinem System festzuhalten, auch wenn Defenses es anpassen. In den letzten Jahren haben viele Teams begonnen, Two-High-Safety-Defenses einzusetzen, um Shanahans Play-Action-Passing-Game zu entschärfen. Erst 2024 begann Shanahan, sein System mehr in Richtung klassisches Dropback Passing zu verändern, wobei er es dabei dann fast übertrieben hatte, weil er es dem QB ohne Screens und mit wenig Play Action nicht leicht machte.

Fazit

Kyle Shanahan hat sein System aus der langjährigen Erfahrung seiner Ziehväter Mike Shanahan, Jon Gruden und Gary Kubiak kreiert und daraus eines der mittlerweile meist kopierten und abgewandelten Systeme der gesamten NFL aufgebaut. Auch wenn mittlerweile Sean McVays Schwester-System doch die trendigere Version sein dürfte und auch dessen Assistant Coaches mehr gefragt sind, so sprechen eigentlich alle Coaches davon, dass Kyle Shanahan immer noch das Original ist und es für jeden eine elementare Erfahrung war von ihm zu lernen. Insbesondere weil das Scheme es schafft auch durchschnittliche QBs auf ein konkurrenzfähiges Niveau zu heben dient es mittlerweile in der Liga als Vorlage für viele junge Coaches die nicht mit einem der 4-5 Elite QBs zusammenarbeiten dürfen. Interessant zu beobachten wird, wie die nächsten Entwicklungsstufen des Systems aussehen werden, insbesondere wenn Shanahan noch mehr Vertrauen in den QB Brock Purdy entwickelt, dieser nun einen teuren Vertrag unterschrieben hat und dafür bisherige Schlüsselspieler wie Deebo Samuel abgegeben werden mussten.

Initialzündung für diesen Artikel war das Lesen des Buchs von Michael Silver, das wirklich einen sehr tiefen Einblick in das Innenleben eines NFL Coaching Staffs liefert.

Ich hoffe jeder Leser kann aus dem Artikel so etwas mitnehmen um für zukünftige Diskussionen, wenn es wieder nur ums „Scheme“ geht, gerüstet zu sein.

Go Niners!

Autor: Chris Pracher

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