Auf Seiten der 49ers gibt es im Vorfeld des anstehenden Super Bowls in Miami nur wenige Personalien, über die lebhaft in den Medien diskutiert wird. Mit einer namhaften Ausnahme: Quarterback Jimmy Garoppolo.

In seiner ersten vollständigen Saison als Starter ging es für sein Team sofort in den Super Bowl – doch wie viel Anteil daran hat der Signal-Caller wirklich? Und kann er es in einem potentiellen Shootout mit Patrick Mahomes aufnehmen?

Garoppolo und die 49ers: Die Anfänge

Über den Werdegang Garoppolos wurde in den vergangenen Monaten ausreichend geschrieben und gesprochen. Der 28-Jährige kam von den New England Patriots zu den San Francisco 49ers, um diese dahin zurückzuführen, wo die geschichtsträchtige Franchise in den Augen von General Manager John Lynch hingehört: An die Spitze. Knapp zweieinhalb Jahre später ist dieses Ziel nun zum Greifen nah: Die 49ers und Jimmy Garoppolo stehen im Super Bowl und treffen dort auf die Kansas City Chiefs.

Die Dienste von Garoppolo waren den Niners zunächst einen Zweitrunden-Pick im NFL Draft 2018 wert, nach fünf Siegen am Ende der 2017er-Saison machte man Garoppolo kurzzeitig zum bestbezahltesten Quarterback der gesamten Liga. Es hagelte Kritik von allen Seiten: Garoppolo sei zu unerfahren und allen voran habe er zu wenig bewiesen, um einen solch teuren Vertrag zu rechtfertigen. Was den wenigsten auffiel: Der Vertrag ist teamfreundlicher ausgestaltet, als er auf den ersten Blick aussah. Das Gesamtvolumen des Vertrages (5 Jahre, 137 Millionen Dollar) erscheint hoch, der größte Anteil des Geldes wird/wurde Garoppolo jedoch zu Beginn der Vertragslaufzeit ausgezahlt, weshalb er den Cap in diesem und den darauffolgenden Jahren nicht allzu stark belastet. In diesem Jahr zählt Garoppolos Vertrag mit 20 Millionen Dollar gegen den Cap. Das macht ihn, nur auf die 2019er-Saison bezogen, zum 15. teuersten Quarterback der Liga. Noch hinter Marcus Mariota oder Jameis Winston…

Zum Beginn der 2018er-Saison richteten sich alle Augen auf James Richard Garoppolo, der bürgerliche Name des Quarterbacks. Die Erwartungshaltung rund um das Team war so hoch wie lange nicht, nicht wenige erwarteten von den 49ers einen sofortigen Play-Off Run. Doch bereits in Woche eins der neuen Spielzeit wurde deutlich, dass vor dem Team von Headcoach Kyle Shanahan noch ein weiter Weg liegen würde. Nach drei Interceptions und einer wackligen Performance von Garoppolo unterlag man den keineswegs unschlagbaren Minnesota Vikings, die Euphorie war fürs Erste gebremst. Auch der anschließende Sieg gegen die Detroit Lions fiel knapper aus, als man es sich ausmalte. In Woche drei dann der Super-GAU: Die 49ers waren zu Gast bei den Kansas City Chiefs, es läuft das 4. Quarter. Um die letzte Chance auf einen möglichen Sieg zu wahren ergreift Garoppolo selbst die Initiative und riskiert, für einen möglichen First Down zu laufen. Beim Versuch, ins Aus zu gehen, knickt er unglücklich um – Kreuzbandriss.

Die 49ers verlieren nicht nur das Spiel, sondern auch ihre Millionen-Investition auf der Quarterback-Position nach nur drei Wochen. Im Fanlager der Niners macht sich eine Mischung aus Ernüchterung und Wut breit. Die kritischen Stimmen, die bereits kurz nach der Verpflichtung laut wurden, waren nicht zu überhören. Sogar eine Art Schadenfreude war zu spüren. In San Francisco erklärte man die Saison zwar nicht für beendet, faktisch war sie es jedoch. Kyle Shanahan fand mit Quarterback Nick Mullens zwar einen geeigneten Backup für die Zukunft, letztendlich standen jedoch nur vier Siege zu Buche. Man hatte sich mehr erhofft in der Bay, „entlohnt“ wurde man mit dem 2. Overall Pick im NFL Draft. Eine nicht so schlechte Kompensation, wie sich herausstellen sollte…

Eine Erfolgsgeschichte nimmt ihren Lauf

Zu Beginn des Jahres 2019 wurde schnell deutlich, dass die Medien und auch die 49ers aus dem Vorjahr gelernt hatten. Der Hype und die Berichterstattung rund um das Team war bei Weitem nicht so euphorisch und positiv, wie noch vor dem Start der 2018er-Saison. Und doch hätte man allen Grund dazu gehabt: Die 49ers verpflichteten vor allem auf der defensiven Seite des Balls zahlreiche potentielle Leistungsträger (Nick Bosa, Dee Ford, Kwon Alexander) und erwarteten auf der anderen Seite ihren millionenschweren Quarterback zurück. Dieser stand jedoch unter genauer Beobachtung: Wird sein Knie halten? Wenn ja, wird ihn die Verletzung langfristig beeinflussen? Was macht der Kreuzbandriss mental mit Garoppolo? Fragen über Fragen, die sich in der Offseason stellten. Als während des Sommerlochs zudem die Nachricht die Runde machte, Garoppolo habe in einem Training fünf (!) Interceptions in Folge geworfen, fühlten sich die Kritiker von San Franciscos Nr. 10 zum wiederholten Male bestätigt.

Die 49ers selbst ließ all dies kalt. Nicht nur die Spieler, sondern auch die Verantwortlichen bestätigten in den letzten Tage auf Nachfrage, dass ihnen bereits während des Trainingscamps bewusst wurde, dass dieses Team in diesem Jahr viel erreichen kann. Sie sollten recht behalten. Und doch traten immer wieder Zweifler auf den Plan, die den Erfolg der 49ers hinterfragten. Immer wieder Fixpunkt dieser Kritik: Quarterback Jimmy Garoppolo.

Zugegeben: Obwohl das Team von Kyle Shanahan die ersten drei Spiele (Tampa Bay, Cincinatti und Pittsburgh) siegreich gestalten konnte, machte das aus den 49ers noch keine „Contender“. Selbst die lokalen Berichterstatter und Anhänger des Teams waren sich uneinig, wie der Saisonstart San Franciscos eingeordnet werden konnte. Während die ersten bereits den Flug nach Miami buchten, drückten andere weiterhin auf die Euphoriebremse. Nach der Bye-Week und einem furiosen Sieg gegen die Cleveland Browns in einem Monday Night Game wurde das erste größere Statement an den Rest der NFL gesendet: Mit den 49ers ist in diesem Jahr nicht zu spaßen.

Und doch blieb weiterhin diese eine Frage offen: Hätten die 49ers diese Partien möglicherweise auch ohne Jimmy Garoppolo gewonnen? Nach vier Partien hatte Garoppolo sieben Touchdowns erzielt, auf der Gegenseite standen bereits vier Interceptions. Es schien, als wollte Kyle Shanahan seinen Quarterback so oft wie möglich „verstecken“. Er setzte, wie in den Play-Offs, primär auf das Laufspiel, welches mit wenigen Ausnahmen ebenfalls hervorragend funktionierte. Die 49ers zeigten, dass sie auf nahezu alle Art und Weisen in der Lage waren, Spiele zu gewinnen (Schlammschlacht in Washington, Blowout-Sieg gegen die Panthers). Doch es fehlte eins: Das „Coming-Out Game“ von Quarterback Garoppolo. Die Kritik an ihm ließ zwangsläufig nach, denn der Erfolg sprach für sich. Zudem war Garoppolo immer da, wenn er gefragt wurde: Bei Pässen auf 3. Down war Garoppolo der effizienteste Quarterback der gesamten Liga. In fünfzig Prozent der Fälle führten seine 3. Down-Pässe zu einem neuen First Down – Ligabestwert.

In Woche neun war es dann soweit: Zu Gast bei den Arizona Cardinals legte Jimmy Garoppolo vier Touchdowns auf, brachte 75 % seiner Pässe an den Mann und sorgte mit diesen für über 300 Yards Raumgewinn. Die Cardinals hatten das Laufspiel der Niners von Beginn der Partie an im Griff, sodass Kyle Shanahan die Verantwortung erstmals vollständig in die Hände seines Quarterbacks übergab. Und dieses Vertrauen zahlte sich aus, denn Garoppolo legte nicht nur sehenswerte Scoring-Drives aufs Parkett. Kurz vor Ende der Partie lag das Momentum eindeutig auf Seiten der Cardinals, doch Garoppolo sorgte mit mehreren zielgenauen Pässen bei 3. Down dafür, dass den Cards letztendlich die Zeit ausging. Besonders auffällig war die Chemie zwischen Garoppolo und dem zu diesem Zeitpunkt frisch akquirierten Emmanuel Sanders, der sofort zu Anspielstation Nummer eins für „Jimmy G“ avancierte.

Die nationalen Medien in den USA nahmen die Gala-Vorstellung von Garoppolo wohlwollend zur Kenntnis, aus dem Gamemanager Jimmy Garoppolo wurde erstmals ein „Gamechanger“. Doch es kam, wie es kommen musste: Auf seine bis dato beste Saisonleistung folgte prompt die Ernüchterung. Gegen den Division-Rivalen aus Seattle, bei dem die 49ers auf George Kittle und drei Quarter lang auch auf Emmanuel Sanders verzichten mussten, wirkte Garoppolo wacklig wie selten zuvor. Zudem halfen ihm seine Wide Receiver nicht aus, insgesamt standen neun (!) Drops zu Buche. Garoppolo sah sich erneut der gewohnten Kritik ausgesetzt, nachdem Seattle den Niners ihre erste Saisonniederlage zufügte.

Furiose zweite Saisonhälfte unterstreicht Ambitionen

Was folgte, wirkte wie eine wütende Antwort des Quarterbacks, der die ganze Saison über auch auf der „kleinen Ebene“ zeigte, dass Rückschläge ihn nicht aus der Bahn werfen. Dies unterstreicht folgende Statistik:

Nach einem Last-Minute Sieg über die Cardinals in Woche elf und vier Touchdowns von Garoppolo, wartete auf die 49ers die schwerste Drei-Spiele-Serie in der Geschichte der NFL (vs. Packers, @ Ravens und @ Saints). Experten, die die 49ers (zu diesem Zeitpunkt bei einem Record von 10-1 stehend) noch nicht ernst nahmen, verwiesen auf die anstehenden drei Spiele, um sich ein endgültiges Urteil über das Team und vor allem über Garoppolo zu bilden. Die erste Hürde nahmen die 49ers mit Bravour, die Green Bay Packers wurden mit 37:8 aus dem eigenen Stadion gefegt. Garoppolo machte erneut nicht mehr als nötig, brachte 14/20 Pässen für 253 Yards an den Mann und erzielte zwei Touchdowns. Im regnerischen Baltimore lag der Fokus beider Teams auf dem Laufspiel. Garoppolo erwies sich als guter Gamemanager, ihm unterlief jedoch ein kostspieliger Fumble. Am Ende verlor man denkbar knapp durch ein Field Goal in letzter Sekunde mit 17:20.

Erwartungsvoll blickte die NFL-Welt dann in Richtung des Mercedes-Benz Superdomes in New Orleans, wo in Woche 14 der Saison das Duell der beiden NFC-Schwergewichte, den New Orleans Saints und den San Francisco 49ers, bevorstand. Im Vorfeld der Partie ging man davon aus, dass der starke Pass-Rush der 49ers Pocket-Passer Drew Brees das Leben gehörig schwer machen würde. Doch es kam anders: Brees wurde kein einziges Mal gesackt, die Saints erzielten in den ersten vier Drives der Partie vier Touchdowns. Es entwickelte sich ein legendärer Shootout, an dem auch Jimmy Garoppolo einen großen Anteil hatte. Shanahan und Garoppolo hatten nach jedem Scoring-Drive der Saints eine passende Antwort parat. Garoppolo wirkte akkurat, entscheidungsfreudig und selbstbewusst. Shanahan nutzte den Sahnetag seines Signal-Callers aus und scheute sich nicht, seinem Quarterback die Bühne zu überlassen. Garoppolo beendete das Spiel mit vier Touchdowns, 351 erworfenen Yards und einem Passer-Rating von 131,7. Die 49ers verließen New Orleans bekanntlich siegreich und Garoppolo hatte wohl den letzten Zweiflern bewiesen, dass kein Moment zu groß für ihn ist.

Nach diesen aufreibenden Wochen schien es, als hätten die 49ers einen Gang zurückgeschaltet. Gegen die Falcons folgte eine unansehnliche Leistung der gesamten Offense, die letztendlich zu einer vermeidbaren Niederlage führte. Surreal: Der Play-Off Einzug wurde trotz der Niederlage am Wochenende perfekt gemacht. Gegen die Los Angeles Rams sah es für die Mannen von Kyle Shanahan lange Zeit nicht gut aus, doch auch in diesem Spiel war Garoppolo zur Stelle, als er gebraucht wurde. Im vierten Quarter fand er zunächst George Kittle in der Endzone, um die Niners in Front zu bringen, im letzten Drive der Partie war zwei Mal ein 3. Versuch mit 16 Yards zu gehen, beide wurden in ein neues First Down verwandelt. Es folgte ein Game-Winner von Robbie Gould, der die 49ers guten Gewissens zum wohl wichtigsten Regular Season Spiel der letzten Jahre nach Seattle fahren ließ.

Die 49ers gewannen bei den Seahawks mit 26:21 und konnten sich auch in diesem Duell der großen Rivalen auf ihren Quarterback verlassen. Garoppolo brachte 18 von 22 Pässen für 285 Yards an den Mann und zeigte keine Spur von Nervosität. Er strahlte Ruhe aus, die das gesamte Team in diesem Spiel dringend benötigte. Zu schlechte Erinnerungen prägen die Geschichte der 49ers im CenturyLink Field. Doch Garoppolo kam, sah und siegte.

Die Quintessenz

Die Vorberichterstattung im Hinblick auf den Super Bowl zeigt, dass die Zweifel an Garoppolo immer noch nicht der Geschichte angehören. Hierfür lassen sich auch zahlreiche Argumente anführen. Gegen die Vikings und die Packers war Garoppolo kaum gefragt, gegen Minnesota wirkte er über weite Strecken des Spiels sogar etwas unsicher. In der abgelaufenen Saison warf Garoppolo 13 Interceptions, umgerechnet dementsprechend nahezu eine Interception pro Spiel. Hinzu kamen zehn Fumbles, von denen fünf vom Gegner erobert wurden.

Doch die abgelaufene Saison zeigt auch, dass man Jimmy Garoppolo nicht so einfach abschreiben sollte. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob der Quarterback eines Teams nicht passt, weil er es nicht musst – oder ob er nicht passt, weil es ihm seitens des Coaching Staffs nicht zugetraut wird. Zum einen liefen die 49ers sowohl die Vikings als auch die Packers in Grund und Boden, sodass es fragwürdig gewesen wäre, diese Überlegenheit im Laufspiel nicht bis zum Ende auszunutzen. Zum anderen hat Kyle Shanahan mehrfach in dieser Saison unter Beweis gestellt, dass er seinem Quarterback vertraut und nicht davor zurückschreckt, Spiele mit und sogar aufgrund seines Quarterbacks für sich zu entscheiden.

Selbstverständlich bleiben viele Fragezeichen, schließlich hat Garoppolo gerade einmal seine erste Saison als Starter in der NFL absolviert. Garoppolo ist kein Patrick Mahomes, Russell Wilson oder Lamar Jackson. Doch Jimmy Garoppolo ist ein Quarterback, der genau das tut, was von ihm verlangt wird – und das sehr gut. Was für einen Unterschied er ausmacht, zeigt auch der Track Record von Headcoach Kyle Shanahan. Der Sohn von Mike Shanahan hat mit Garoppolo under center 21 Spiele gewinnen können, auf der Gegenseite stehen lediglich fünf Niederlagen. Der Record ohne Garoppolo: 4-20…

Mit den Waffen, die Garoppolo (und Shanahan) zur Seite stehen, wäre es ein großer Fehler, den Quarterback der 49ers schon vor dem anstehenden Duell gegen die Chiefs abzuschreiben oder in Frage zu stellen. Shanahan und sein Quarterback haben mehrfach unter Beweis gestellt, wozu sie in der Lage sind, wenn es nötig wird. Und dass Garoppolo abliefern kann, wenn es eng wird und er gefragt ist, zeigen folgende Statistiken:

Jimmy Garoppolo und die San Francicso 49ers hatten die ganze Saison über mit Kritikern und Zweiflern zu kämpfen. Bislang haben sie diese immer wieder aufs Neue ruhig gestellt. Ob Gamemanager oder Gamechanger – der Moment wird nicht zu groß sein für James Richard, genannt Jimmy, Garoppolo.

Autor: Lars Riedenklau

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