Der erste Sieg ist unter Dach und Fach und die 49ers konnten mit einem Glücksgefühl in die wohl verdiente Bye-Week gehen. Nun warten die Seattle Seahawks auf die Mannen von Kyle Shanahan…
Der Gegner – Seattle Seahawks (6-4, 3-2 away)
Bei den Seattle Seahawks läuft es derzeit nicht rund – und das in vielen Bereichen. In der Division befindet man sich hinter den Los Angeles Rams auf einem enttäuschenden zweiten Platz wieder, eine Konstellation, die von vielen Experten im Voraus der Saison so sicherlich nicht vorhergesagt worden ist. Doch auch die Verletztenliste der Seahawks wird immer länger: Neben Richard Sherman, Cliff Avril und Kam Chancellor (wohl alle out for season), haben die Seahawks zahlreiche personelle Probleme, viele Spieler kämpfen seit Wochen mit Beschwerden und spielen unter Schmerzen, darunter auch Superstar Earl Thomas.
Die Seahawks sind geschwächt, und das spiegelte sich auch auf dem Feld wider. Gegen die derzeit eher durchschnittlich auftretenden Redskins gab es eine Heimniederlage, die sicherlich nicht eingeplant war. Erst in der letzten Woche verlor man erneut ein wichtiges Heimspiel, gegen die Atlanta Falcons ging man trotz eines starken Russell Wilson als Verlierer vom Feld. Die Defense der Seahawks leidet unter den Verletzungen sehr stark, man merkt deutlich, dass die Play-Maker wie Chancellor oder Sherman fehlen, denn die Big-Plays der Defense blieben in den letzten Duellen aus. Umso mehr muss die Offense der Seahawks abliefern, und hier verlässt man sich fast ausschließlich auf Quarterback Russell Wilson. Und das ist das Problem der Seahawks: Ob Eddie Lacy, Chris Carson, Thomas Rawls, C.J. Prosise oder der Ex-49er Mike Davis, alle RBs der Seahawks zeigten entweder eher schwache Leistungen oder verletzten sich und fielen für längere Zeit aus. Das Running-Game der Seahawks leidet stark darunter, weshalb die Offense der Seahawks ausrechenbarer geworden ist. Unser befreundeter Fan-Club, die German SeaHawkers, schätzt die Situation um Wilson folgendermaßen ein:
„Quarterback Russell Wilson ist zur Zeit Seattles Offense und für über 80 Prozent der Yards in der Offensive verantwortlich. Man mag sich nicht vorstellen, wie Seattle dastünde, wäre Backup Austin Davis Quarterback des Teams.
Doch wenn Wilson auch nur ansatzweise in der MVP-Diskussion gehandelt werden soll, muss er mit den besten Spielern der NFL auf seiner Position verglichen werden. Hier ist vor allem Tom Brady zu nennen, der einmal mehr eine überragende Saison spielt. Während Brady (38 Passversuche pro Spiel) kaum Fehler macht und bisher nur zwei Interceptions warf, ist Wilson (37,7 Passversuche pro Spiel) immer wieder (natürlich seltener als die meisten Quarterbacks) für einen Fehler gut. Er warf bereits sieben Interceptions. Die Pässe, die mit etwas Pech in Picks hätten enden können, sind da nicht eingerechnet. Vor zwei Wochen gegen die Redskins warf Wilson eine haarsträubende Interception, die ganz klar auf seine Kappe geht – und auch zuletzt gegen die Falcons verfehlte er Lockett auf einer simplen Route über zehn Yards um zwei Armlängen.
So brilliant Wilson meist spielt, diese Fehler muss er abstellen, er muss schlichtweg konstanter spielen. Das könnte er am Sonntag gegen die schwache Passverteidigung der 49ers tun, die im Schnitt 246,3 Yards pro Spiel durch die Luft zulässt (Platz 23 in der NFL).“
Die zahlreichen Ausfälle auf Seiten Seattles führen wohl auch dazu, dass die Spieler das System noch nicht ausreichend verinnerlicht worden ist, denn wie die 49ers, haben die Seahawks ein Strafen-Problem. Im Seattle-Lager schätzt man die Lage derzeit so ein:
„Es macht so langsam den Anschein, als bringe es Unglück, jede Woche erneut das Thema Strafen in der Vorschau zu erwähnen, denn die Mannschaft aus Seattle macht in jedem Spiel die gleichen leidigen Fehler und das Thema somit Woche für Woche zurück auf die Agenda findet. Spieler wie Right Tackle Germain Ifedi wissen sich oft nicht anders zu helfen als mit einer Strafe, weil sie schlichtweg überfordert sind mit ihren Aufgaben.
Die mehr als zehn Strafen pro Spiel sind einsame Ligaspitze und könnten bei gleichbleibendem Durchschnitt am Ende der Saison einen Negativrekord in der NFL-Geschichte bedeuten. Der Zuschauer kann nur hoffen, dass die Seahawks sich beim Thema Strafen gegen die 49ers nicht so oft ins eigene Fleisch schneiden. Nicht jeder Rekord ist erstrebenswert.“
Man muss hoffen, dass die 49ers aus diesen Fehlern der Seahawks Kapital schlagen können, und ihr Spiel durchziehen können, so wie es gegen die Giants oft der Fall gewesen ist. Denn die O-Line Probleme der Seahawks sind lange noch nicht behoben, und da kommt die Rückkehr der D-Liner Solomon Thomas und Tank Carradine natürlich gelegen.
Auch auf Seiten der Seahawks erwartet man erneut ein spannendes Duell, doch ist es natürlich nicht wegzudiskutieren, dass ein Sieg für die Seahawks in Santa Clara eine Pflichtaufgabe ist:
„In Spielen gegen einen Rivalen aus der NFC West ist schon viel Verrücktes passiert. Kaum jemand hätte in Woche 2 erwartet, dass Seattle sich gegen ein Team im Neuaufbau derartig schwer tun würde. Trotz Hinspiel: Alles andere als ein Sieg wäre eine herbe Enttäuschung. Die Begegnung ist eine der Kategorie, in der man nicht verlieren darf, zumal es in der Woche darauf gegen die Philadelphia Eagles geht. Die Dominanz, mit der die Seahawks einst Gegner aus der Division vor Schwierigkeiten stellten, ist nicht mehr da. Seattle wird sich an diesem Sonntag wohl wieder schwer tun, aber am Ende mit einem Sieg nach Hause zurückkehren.“
Die gesamte Preview der German SeaHawkers findet ihr hier.
Kurz-Info:
– Gegründet: 1976
– Vereinsfarben: dunkelblau, hellgrün, weiß
– Super-Bowl Titel: 1 (2013)
– Stadion: CenturyLinkField (67.000 Plätze)
– Headcoach: Pete Carroll
– letztjähriger Record: 10-5-1 (1. Platz in der NFC West)
– ewige Bilanz: Seahawks lead series 23-15-0
Die Aufstellung der Seahawks findet ihr hier.
Players to watch:
- Russell Wilson (#3, QB)
Natürlich ist Wilson heute der Mann, auf den sich alle Augen der Zuschauer richten werden. Erwischt Wilson einen guten Tag, wird es für die 49ers ganz schwer, einen Sieg einzufahren. Hält man Wilson jedoch in Schach, und sorgt dafür, dass er möglichst wenig auf dem Feld steht, steigen die Chancen auf einen Überraschungserfolg. - Jimmy Graham (#88, TE)
Die 49ers gehören zu den Top-Teams der Liga, wenn es darum geht, gegnerische Tight-Ends zu verteidigen. Das liegt natürlich auch daran, dass man ausreichend Yards gegen Running-Backs und Wide-Receiver zulässt, dennoch ist es eine Tatsache, dass es viele Tight-Ends bislang schwer hatten gegen San Franciscos Defense. Dies ist auch der Tatsache geschuldet, dass DC Robert Saleh ein ehemaliger Linebacker-Coach ist, und diese passend auf die Spiele einstellt. - Byron Maxwell (#41, CB)
Erst vor kurzem verpflichteten die Seahawks Byron Maxwell „von der Straße“, weil die Tiefe auf der Cornerback-Position immer dünner wird. Maxwell hat eine Vorgeschichte in Seattle, gehörte einst zu der gefürchteten Legion of Boom. Bei den Miami Dolphins blieb er jedoch blass und konnte nie auf das Level kommen, auf dem er in Seattle performte. Er kennt das System zwar gut, könnte dennoch eine Schwachstelle sein, die es heute zu attackieren gilt. Vor allem Speedster Marquise Goodwin könnte Maxwell heute vor Probleme stellen, denn Maxwell gilt auch als Penalty-Maschine. Es wird interessant zu sehen sein, was sich Shanahan ausgedacht hat, um die Seattle-Defense anzugreifen.
So steht um die San Francisco 49ers (1-9, 1-4 at home):
Endlich: Der erste Sieg ist da, und der Fluch von einem 0-16-Record schwebt nicht mehr über dem Levis-Stadium. Große Erleichterung machte sich bei den 49ers breit, Joe Staley sprach sogar davon, dass dies der schönste Erfolg seines Lebens gewesen sei, neben dem Gewinn des NFC-Championship Games. Doch seht selbst:
Auf dem Platz ging der Plan von Kyle Shanahan blendend auf, das Running-Game mit Carlos Hyde und Matt Breida ebnete den Weg für Quarterback C.J. Beathard, der die beste Leistung seiner noch jungen Karriere zeigte (zwei Passing-TD, ein Rushing-TD, fast 300-passing-yards). Die 49ers spielten sich förmlich in einen Rausch, auf einmal gelang so gut wie alles. Die Giants-Defense, die in der letzten Woche gegen Kansas City ihr Potential aufzeigte, hatte keine Antwort auf Shanahans-Offense. Man muss hoffen, dass die 49ers auch heute eine Lösung finden, um Seattles Defense, die ähnlich aufgebaut ist wie die 49ers, in Verlegenheit zu bringen. Doch dies ist Shanahan in naher Vergangenheit des Öfteren gelungen, vor allem mit den Atlanta Falcons gelang es ihm, die Seahawks vor gewaltige Probleme zu stellen. Durch die Zusammenarbeit mit Dan Quinn bekam er einen guten Einblick in die Funktionsweise der Seattle Defense. Auch im Hinspiel stellten die 49ers unter Beweis, dass mit ihnen gegen Seattle zu rechnen ist: Lange Zeit führte man knapp, bis Russell Wilson die 49ers nahezu im Alleingang schlug. Es wird interessant zu beobachten sein, ob sich die ähnlich funktionierenden Defense-Reihen wieder die Stirn bieten können. Kleine Fehler können heute darüber entscheiden, wer das Duell für sich entscheidet.
Und diesbezüglich werden die 49ers dankbar sein, dass sich die personelle Situation etwas verbessert hat. Kyle Shanahan gab unter der Woche bekannt, dass Quarterback C.J. Beathard nach seiner starken Vorstellung gegen die Giants eine weitere Woche den Starting-Job inne behält. Jimmy Garoppolo muss sich also weiter in Geduld üben, es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass wir Garoppolo im heutigen Spiel sehen werden – je nachdem, wie das Spiel verläuft. In der Offensive-Line verletzte sich Trent Brown am Donnerstag an der Schulter, sein Einsatz ist fraglich. Es wäre ein herber Ausfall, wenn Brown, der wohl beste Pass-Protector der 49ers, ausfallen würde – und das gegen eine starke Seahawks-Defensive-Line, die wohl wieder mit Run-Stop-Specialist Jarran Reed auflaufen können. Mit Trent Taylor und George Kittle kehren höchstwahrscheinlich zwei wichtige Bausteine des 49ers Passing-Games in die Aufstellung zurück, doch im Spiel gegen die Giants zeigten sowohl Garrett Celek, Kendrick Bourne und Louis Murphy ansprechende Leistungen, als diese Kittle und Taylor zu ersetzen versuchten.
In der Defense, die lange Zeit über zahlreiche Verletzte klagen musste, hat DC Robert Saleh mittlerweile sogar ein Luxusproblem. Solomon Thomas und Tank Carradine kehren zurück, mit den Neuverpflichtungen Sheldon Day und Cassius Marsh hat Saleh nun die Qual der Wahl. Marsh und Day kennen das System Salehs sehr gut und könnten sofort in die Line-Up rutschen. Doch auch die Leistungen von Leger Douzable und Ronald Blair III waren ansprechend, sodass es keinen legitimen Grund gibt diese auf die Bank zu setzen. Seit langer Zeit herrscht bei den 49ers wieder so etwas wie ein Konkurrenzkampf um die Positionen, hoffen wir, dass es sich positiv auswirkt!
Unter der Woche entließ man mit Ray-Ray Armstrong einen Veteran-Linebacker, ein Vertrauensvorschuss in die jungen Spieler, Brock Coyle, Elijah Lee und Mark Nzeocha. Doch auf einer Position wird es bei den 49ers langsam dünn: Safety. Nachdem mit Adrian Colbert der dritte Safety neben Jaquiski Tartt und Jimmie Ward ausfällt, ergibt sich eine Chance für die jungen, unbekannten Antone Exum und Dexter McCoil, die vermutlich als geteilte Starter auflaufen werden. Nicht auszuschließen ist außerdem, dass Veteran Leon Hall einige Snaps als Safety bekommen wird.
Trotz der verbesserten Personalsituation und dem leichten Aufschwung, den die 49ers aus den letzten zwei Wochen mitgenommen haben, erscheint ein Sieg gegen die Seahawks als unwahrscheinlich. Dennoch: Seattle ist derzeit angeschlagen und es war vermutlich in den letzten Jahren selten so „leicht“, Seattle einen Loss beizubringen.
Let’s go!
Players to watch:
- Tank Carradine (#95, DT):
Der Defensive-Tackle der 49ers kehrt endlich wieder zurück auf den Platz, nachdem er bislang nur drei Spiele absolvieren konnte. Seinen einzigen Sack in dieser Saison verbuchte er in Week 2 bei den Seahawks, an dieser Leistung darf er heute gerne anknüpfen. Carradine hinterließ in der Vorbereitung einen bleibenden Eindruck bei den Coaches und scheint nun endlich seine Position gefunden zu haben – hoffen wir, dass es sich bereits heute auszahlt. - Carlos Hyde (#28, HB):
Hyde ist einer der wenigen Running-Backs, den es in den letzten Jahren gelungen ist, über 100 yards in Seattle zu erlaufen. Die Seahawks liegen Hyde besonders gut, doch heute wird er erneut enorm schwer haben, denn die Seahawks verfügen über eine sehr starke Defensive-Line. Bekommen die 49ers Hyde ins Rollen, haben sie gute Chancen, die Seahawks heute zu ärgern. - Reuben Foster (#56, LB):
Langsam wird es zur Gewohnheit, dass Foster in dieser Liste auftaucht. Heute wird er das erste Mal auf Russell Wilson treffen, ein interessantes Duell. Foster kann mit seiner Geschwindigkeit wohl am ehesten mit Wilson mithalten, wir werden wohl des Öfteren sehen, wie Foster als sogenannter „Spy“ auf Wilson angesetzt ist, um Läufe des Superstars zu verhindern. Je nachdem, wie Foster seine Aufgabe erledigt, wird sich wohl auch entscheiden, ob die 49ers heute Wilson stoppen können – oder ob er wie so oft schalten und walten kann, wie er will.
Injury Report:
Hier entlang!
Auf ein gutes Spiel und nochmals einen Dank an die German SeaHawkers – es macht immer wieder Spaß, mit Euch zusammen zu arbeiten!
Autor:
Lars Riedenklau