San Francisco 49ers: Die Zeit ist reif!

Es gibt sicherlich schlimmeres, als Fan der San Francisco 49ers zu sein. Doch nach all den Nackenschlägen gilt nun: Die Zeit ist reif!

Die harten ersten Jahre

2017. Die San Francisco 49ers befinden sich inmitten eines Neuanfangs, nachdem die Ära von Jim Harbaugh und Trent Baalke ohne Super Bowl-Titel endete und die Versuche, mit Jim Tomsula und Chip Kelly die letzten Früchte dieser Zeit zu ernten, kläglich scheiterten. Owner Jed York entschied sich, mit der Franchise einen neuen Weg einzuschlagen. Er versprach den Faithful, erneut eine Championship Kultur etablieren zu wollen. Auf die Frage, ob man Owner entlassen könne, antwortete er bestimmt, dass dies nicht der Mechanismus sei, wie die NFL funktioniere und Owner nun mal nicht entlassen werden. Im Zuge dieses Wiederbelebungsversuches ernannte er Kyle Shanahan und John Lynch zu seinen zwei stärksten Männern im Building. Gemeinsam mit Paraag Marathe, dem Salary Cap-Guru der 49ers und Adam Peters (jetzt GM der Washington Commanders) machten es sich Shanahan und Lynch zur Aufgabe, die 49ers wieder zurück an die Spitze der NFL zu bringen. Lynch, der zuvor als TV-Experte arbeitete, war zuvor mit keiner Silbe in den Medien als Kandidat auf den General Manager-Posten erwähnt worden. Wie sich im Nachhinein herausstellte, war dies Teil des Plans. Denn es sollte sichergestellt werden, dass die Organisation nichts von dem Plan, Lynch als GM zu hiren, an die Öffentlichkeit durchsickern lässt. Plan geglückt – und eng mit der Verpflichtung von Lynch war auch das Hiring von Kyle Shanahan als Headcoach der 49ers verbunden. Es ist nicht auszuschließen, dass Shanahan sich Lynch als Partner an seiner Seite ausgesucht hat, und nicht andersherum. York hatte großes Vertrauen in den Sohn von Mike Shanahan gesteckt, der seinerseits großen Anteil am letzten Super Bowl Sieg der 49ers im Jahre 1995 hatte. Für Shanahan, der bis dahin einige Stationen in der NFL durchlief, war es die bislang höchste Position in seiner Karriere. Dass er ein offensives Genie ist, war bereits vor seiner Zeit in San Francisco vermutet worden. Doch wie handelt er ein gesamtes Team? Wie sieht sein Roster-Building aus? Ist er auch ein guter Motivator? Viele Fragen stellten sich, die wir größtenteils mittlerweile positiv beantworten können. Kyle Shanahan ist sicherlich nicht perfekt, aber er ist ein unglaublich guter Coach. Nicht nur fachlich, sondern auch menschlich.

Zurück zur Saison 2017. Woche 4. Die 49ers verlieren in Overtime mit 15-18 gegen die Arizona Cardinals, der dritte Loss mit nur drei oder wenigen Punkten Differenz in Folge. Die 49ers stehen bei 0-4, als das bekannte Bild von Kyle Shanahan entsteht, der ratlos vor einer Box im Lockerroom sitzt. Es folgten zwei weitere enge Niederlagen, bis man von einigen Gegnern klar die Grenzen aufgezeigt bekam. Erst in Woche 10 gelang der erste Sieg in der Ära von Kyle Shanahan. Doch die Erwartungen waren ohnehin nicht groß. Lynch und Shanahan nahmen einen nahezu unvergleichbaren Roster-Overhaul vor, verpflichteten insgesamt 27 neue Spieler in der Free Agency und drafteten zehn Spieler, die in Person von George Kittle auch heute noch dem Corps der Mannschaft angehören. Der Draft von Lynch wurde damals zelebriert, stellte sich im Nachhinein jedoch als ziemlich misslungen heraus. Sowohl Solomon Thomas als auch Reuben Foster, die in der 1. Runde gepickt wurden, scheiterten. Mit der Ankunft von Jimmy Garoppolo, der Brian Hoyer und C.J. Beathard beerbte, wurde die Franchise endgültig auf links gedreht. Obwohl Kyle Shanahan die Chance verstreichen ließ und einen Quarterback im Draft zu ziehen, da er auf Kirk Cousins „warten“ wollte, den er als seinen Guy auserkoren hatte, fanden die 49ers – zunächst – ihren Quarterback der Zukunft. Man beendete die Saison mit 6-10, die Arbeit von Shanahan und Lynch trug erste Früchte.

Kyle Shanahan bei der Nationalhymne

Vom Rebuild zum Super Bowl

Die darauffolgenden Jahre sind schnell erzählt, sie wurden auch schon oft genug thematisiert. Der Hype um Jimmy Garoppolo, der zwischenzeitlich zum bestbezahltesten Quarterback der NFL aufstieg, kannte kaum kein Ende. Sein Saisonstart im Jahr 2018 beendete die großen Hoffnungen jedoch abrupt, nachdem er das 1. Spiel bei den Vikings verlor und sich schließlich in Woche 3 einen Kreuzbandriss zuzog. So schnell ging es dann doch nicht mit der Revitalisierung der 49ers zum Play-Off Contender. Es folgte eine weitere Saison im Niemandsland, die 49ers profitierten allerdings dahingehend, dass man im darauffolgenden Draft den 2. Pick inne hatte. Mit diesem sicherte man sich DE Nick Bosa – der Rest ist Geschichte. Bosa ist nun einer, wenn nicht der beste, Pass-Rusher in der NFL und hat maßgeblichen Anteil am Erfolg in den letzten Jahren.

Super Bowl-Niederlage 2019, Seuchen-Saison 2020, Niederlagen im NFC Championship Game 2021 und 2022. Shanahan hat es geschafft, aus einem der schlechtesten Roster in der NFL eine jahrelangen Contender zu formen. Viele der Spieler, die nun Anker im Team der 49ers sind, wurden eigenhändig gedraftet und selbst ausgebildet. Allerdings war man sich auch nicht zu schade, tief in die Tasche zu greifen und einige bereits geformte Superstars wie Trent Williams oder Christian McCaffrey via Trade an Land zu ziehen. Und auch, wenn nicht jede Verpflichtung (RB Jerrick McKinnon sei beispielhaft genannt) oder jeder Draft-Pick (bspw. QB Trey Lance, den man nach nur zwei Saisons nach Dallas tradete) ein Volltreffer gewesen ist: Die 49ers gehören nun seit mehreren Jahren zum engsten Favoritenkreis auf die Vince Lombardi-Trophäe. Die NFC West dominierte man die letzten zwei Jahre nach Belieben, zwei Mal in vier Jahren sicherte man sich den 1. Seed in der NFC. Und beide Male sorgte dies für zwei Heimspiele in den Play-Offs, die siegreich gestaltet werden konnten. Der verdiente Lohn: Der Einzug in den Super Bowl, wo wie 2020 erneut die Kansas City Chiefs auf die Mannen von Kyle Shanahan warten.

Doch die Vorzeichen sind in diesem Jahr andere. Die 2019er-Saison verlief für die 49ers wie im Bilderbuch. Als „Underdog“ in die Saison gestartet war man lange Zeit ungeschlagen, wurde von der breiten NFL Landschaft allerdings nicht zu 100% als ernsthafter Kandidat für einen tiefen Play-Off Run gehandelt. Die Niners bewiesen ihren Kritikern das Gegenteil, stürmten durch die Play-Offs und hatten bereits eine Hand an der Trophäe. Nur sechs Minuten vor Ende des Super Bowls in Miami führten die 49ers noch mit 10 Punkten, verloren am Ende nach einem sensationellen Comeback der Chiefs jedoch mit 20:31. Diese Niederlage sitzt nicht nur bei den Fans der San Francisco 49ers bis heute tief. Auch die Spieler, die damals auf dem Platz standen, hat diese Niederlage geprägt. Jetzt haben sie die Chance auf Wiedergutmachung.

Kyle Shanahan (l.) und Brock Purdy (r.) im Gespräch im Locker Room nach dem Sieg gegen die Tampa Bay Buccaneers 2022

Die Zeit ist reif

Hier und heute, vier Jahre später, stehen die 49ers ein weiteres Mal im großen Endspiel. Und auch wenn es sicherlich Fans von Teams gibt, die deutlich leidgeplagter sind, als die der 49ers: Die Zeit ist reif für Titel Nr. 6. Vor etwas mehr als 29 Jahren gelang es den hochdekorierten San Francisco 49ers das bislang letzte und fünfte Mal, den Super Bowl-Titel in die Bay Area zu bringen. Es waren andere Zeiten und andere Köpfe involviert, wobei die Beziehungen zu den ehemaligen Spielern und Coaches natürlich bis heute noch bestehen. Dennoch ist es Zeit, die Geschichte neu zu schreiben, um nicht länger in der Vergangenheit leben zu müssen, wenn es aus Sicht von 49ers-Fans um die ganz großen Erfolge geht.

Sei es QB Brock Purdy, der mit seiner authentischen und bodenständigen Art nicht nur auf, sondern auch neben dem Feld ein großer Sympathieträger ist und dessen unnachahmliche Cinderella-Story ein perfektes Happyend finden würde. Oder TE George Kittle, der „People’s Tight End“, der mit seinem ansteckenden Humor mittlerweile auch über die Grenzen San Franciscos hinaus Bekanntschaft erlangt hat. Oder LT Trent Williams, der mit 35 Jahren das 1. Mal in einem Super Bowl steht und auf dem Weg dahin u.a. eine Krebserkrankung durchgemacht hat. Oder RB Christian McCaffrey, der wohl beste Runningback der Liga, der sein Glück höchstwahrscheinlich kaum fassen kann, nun bei den 49ers zu spielen. Oder eben einfach HC Kyle Shanahan, dem bis heute der Ruf nacheilt, in den großen Spielen nicht in der Lage zu sein, diese erfolgreich zu beenden bzw. seine ganze Klasse zu zeigen. Das gesamte Team und das gesamte Umfeld der 49ers sind überfällig, was einen Super Bowl-Titel anbelangt. Auch, wenn der Weg bis dahin nicht immer einfach war, ob es die Spielverläufe (Comebacks vs. Green Bay und Detroit) oder das Roster-Building angeht, diese Gruppe an hart arbeitenden und nahbaren Charakteren hat es sich mehr als verdient, sich mit einem Super Bowl-Ring zu belohnen.

Denn trotz aller Emotionalität und Anerkennung für das bereits Erreichte: Der große Wurf ist den 49ers unter Kyle Shanahan eben noch nicht gelungen. Und wenn wir eins sicher wissen, dann, dass wir nichts sicher wissen. In der NFL ist nichts garantiert. Keine Winning-Season, kein Play-Off-Einzug, keine Super Bowl-Teilnahme und schon gar nicht der Gewinn des Super Bowls. Dennoch muss man die Chancen, die sich bieten, am Schopfe ergreifen. Den 49ers bietet sich diese nächste große Chance am kommenden Sonntag. Die Zeit ist reif. Um Geschichte zu schreiben. Um neue Helden zu schaffen. Um sich (und auch die Faithful) endlich zu belohnen.

Do it for the bay!

 
 
 
 
 
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