Etwas später als geplant findet Ihr hier die dritte Ausgabe unseres NEG Offseason Blogs! Wir blicken für Euch auf die Gewinner und Verlierer der Free Agency, zudem geben wir unsere Meinung zu den Aktivitäten der 49ers ab.
Nachdem wir uns beim letzten Mal noch mit der NFL Scouting Combine beschäftigt haben, gab es in den letzten zwei Wochen fast nur ein Thema: Die Free Agency.
Seit dem 11. März durften die Clubs mit den Spielern verhandeln, deren Vertrag ausgelaufen war – und die unzähligen hochdotierten Deals kamen quasi minütlich an die Oberfläche. Erneut gab es einige Franchises, die sehr viel Geld in die Hand nahmen (auch die 49ers), um sich für die anstehende Spielzeit zu verstärken.
Doch wie sind diese Moves zu bewerten? Wir beginnen mit einer Bewertung der Offseason-Aktivitäten der San Francisco 49ers, eine detaillierte Auseinandersetzung mit den einzelnen Spielern, die neu zum Team stoßen, wird es für alle Mitglieder des NEG in unserem exklusiven Magazin, den Empire Chronicles, geben.
WIE BEWERTET IHR DIE MOVES DER 49ERS?
Nachfolgend findet Ihr eine Beurteilung der bisherigen Aktivitäten der 49ers um General Manager John Lynch, wie damals in der Schule versuchen wir uns auch an einer passenden Benotung:
James Wiebe
Die Free Agency der 49ers war wie ein teurer Wein. Je mehr Zeit verging, umso besser gefiel sie mir (ob diese Analogie wirklich passt, weiß ich nicht. Ich bin schon froh, Rot- und Weißwein auseinanderhalten zu können.).
Zu Beginn wirkten die Verträge von Edge Rusher Dee Ford und Linebacker Kwon Alexander wirklich heftig, doch nach der Veröffentlichung der Details etwas moderater. Beides sind quasi garantierte Einjahresverträge, aus denen die Niners frühzeitig aussteigen könnten, sollten Ford oder Alexander massiv enttäuschen. So hat John Lynch eine Absicherung und der Spieler hat die Möglichkeit, sich ein Gehalt zu verdienen, das ihm andere Teams wohl so nicht gegeben hätten.
Auch die Signings von Cornerback Jason Verrett und Running Back Tevin Coleman gefielen mir: geringe Gehälter, hohes Potential.
Dennoch lässt sich nicht verneinen, dass die 49ers mit diesen Verpflichtungen einiges an Verletzungsrisiken eingehen. Sowohl Ford, Alexander und Verrett, als auch der wiederverpflichtete Jimmie Ward hatten in ihren bisherigen Karrieren mit Verletzungen zu kämpfen und anzunehmen, dass sich dieses plötzlich ändert, wäre naiv. Zudem wirkt es fragwürdig, dass Lynch und Shanahan es nicht für nötig hielten, auf Free Safety zu upgraden, obwohl der Markt mehrfach Möglichkeiten dafür bot. Das wird wohl im Draft gerichtet werden müssen.
Note: 2-
Lars Riedenklau
Obwohl mir die neuen Namen bei den 49ers persönlich gefallen, sehe ich die bisherigen Moves etwas kritischer als mein Vorredner. Der Deal mit Kwon Alexander ging als einer der ersten in der gesamten Free Agency über die Bühne, man scheint sich dementsprechend früh auf ihn als potentiellen Ersatz für Reuben Foster festgelegt zu haben. Obwohl die Vertragsdetails den ersten Eindruck etwas abschwächten, wird Alexander zeigen müssen, dass er tatsächlich das Geld eines Top-5 Linebackers wert ist.
Dee Ford, der die Probleme auf der Edge Rusher-Position lösen soll, kommt mit vielen Vorschusslorbeeren nach San Francisco, doch auch der Deal mit dem Ex-Kansas City Chief ist zwar teamfreundlich aufgebaut, bringt jedoch einige Risiken mit sich: Ford blieb in seiner gesamten Karriere nie frei von Verletzungen und konnte erst in seinem vierten Jahr in der NFL (bzw. in der letzten Saison) wirklich überzeugen. Es bleibt zu hinterfragen, wieso man nicht auf dem recht gut besetzten Free Agency-Markt zugeschlagen und stattdessen einen Zweitrunden-Pick im nächsten Jahr hergegeben hat.
Es ist auffällig, dass die 49ers scheinbar oft Spielern verfallen, denen sie dann, wenn nötig, auch mehr Geld bezahlen wollen, als sie anderswo erhalten würden. Diese Tendenz stimmt mich etwas nachdenklich, denn mit dieser Vorgehensweise ist wohl bald auch die komfortabelste Cap-Situation futsch.
Wie James gefallen mir jedoch die etwas „kleineren“ Signings der 49ers sehr gut, da man mit Jason Verrett, Tevin Coleman und Jordan Matthews kostengünstig Spieler mit potentiell hoher Qualität verpflichtet hat, die aber eben auch u. a. mit Verletzungsproblemen zu kämpfen hatten, weshalb der Risikofaktor hier ebenfalls hoch ist.
Insgesamt hat das Roster der 49ers zwar einiges an Qualität hinzugewonnen, ob es die gezahlten Preise inkl. des hohen Draft-Picks letztendlich jedoch wert sein wird, muss sich zeigen.
Note: 3+
DIE GEWINNER UND VERLIERER DER FREE AGENCY
Zum Abschluss haben wir noch einen Blick auf die Vorkommnisse in der gesamten NFL geworfen und wollen Euch unsere Erkenntnisse natürlich nicht vorenthalten. Wir haben unsere Eindrücke in eine Auflistung von Gewinnern und Verlierern zusammengefasst:
GEWINNER
Cleveland Browns
Die offensichtlichste Antwort in dieser Rubrik stellen wohl die Cleveland Browns dar, die mitverantwortlich für eine der aufregendsten Offseasons der letzten Jahre gewesen sind. Über allem schwebt natürlich der Trade für Odell Beckham Jr., den auch die 49ers liebend gerne in den eigenen Reihen gehabt hätten. Die Browns verfügen trotz der Kompensation für OBJ weiterhin über drei Picks in den ersten drei Runden und haben sich auf einer der wichtigsten Positionen in der Offense massiv upgegradet.
Neben der Verpflichtung von Beckham Jr. verstärkten sich die Browns mit Sheldon Richardson, Olivier Vernon und dem zunächst gesperrten Kareem Hunt, allesamt Spieler, die den Browns auf Anhieb weiterhelfen werden und einen Qualitätsschub verleihen. Im Trade für Olivier Vernon gab man zwar mit Kevin Zeitler einen der besseren Guards der Liga ab, setzt fortan jedoch Hoffnungen in den letztjährigen Zweitrunden-Pick Austin Corbett.
Philadelphia Eagles
Still und klammheimlich haben sich die Philadelphia Eagles zu einem der Gewinner der Free Agency gemausert. Die Nick Foles-Ära in Philly ist zwar endgültig beendet, doch mit Carson Wentz sollten die Eagles auch in der nächsten Saison ein heißer Anwärter auf die Playoffs sein: Mit DeSean Jackson hat er zumindest ein interessantes Target hinzugewonnen.
Ansonsten konzentrierte man sich in Philadelphia darauf, den Stammkader so gut wie möglich beisammenzuhalten und Abgänge gleichwertig bzw. sogar mit einem Upgrade zu kompensieren. Und dies gelang den Eagles erstaunlich gut: Mit Malik Jackson (JAX) ersetzt man den scheidenden Timmy Jernigan, Ronald Darby bleibt den Eagles weiterhin erhalten, obwohl andere Teams an ihm interessiert waren. Vinny Curry kehrt nach einem Jahr Abstinenz zu seinem alten Arbeitgeber zurück und wird dabei helfen, die Eagles D-Line um Superstar Fletcher Cox auf einem konstant hohen Niveau zu halten. Safety Andrew Sendejo sorgt für mehr Tiefe auf der im letzten Jahr geschundenen Safety-Position.
Miami Dolphins
Obwohl die Miami Dolphins in der Offseason fast nur Abgänge zu verzeichnen hatten, gehören sie für uns zu den Gewinnern der Free Agency Phase. Jahrelang versuchte man, mit einem maximal durchschnittlichen Roster und vereinzelten, meist überbezahlten Superstars das Ruder herumzureißen. Was dabei herauskam, ist bekannt: Die Dolphins waren der Inbegriff von Mittelmaß.
Nun scheint man einen anderen Weg einzuschlagen: Man trennte sich von zahlreichen Veterans (Robert Quinn, Josh Sitton und Ryan Tannehill) und wird nun wohl den Fokus darauf legen, sich über den Draft zu verstärken und allen voran zu verjüngen. Eine Taktik, mit der bspw. die Browns nicht schlecht gefahren sind – ob es die Dolphins letztendlich ähnlich effizient umsetzen, wird sich zeigen. Es wird für Neu-Headcoach Brian Flores mit Sicherheit keine einfache Saison, doch der Rebuild in Miami ist auf mehrere Jahre ausgelegt, weshalb auch hier gilt: Keine Hektik!
VERLIERER
New York Giants
Es fällt schwer, Worte für diese Offseason der Giants zu finden. Odell Beckham Jr. zu traden ist schlimm. Die Begründung durchsickern zu lassen, sein Abgang würde der Offense helfen, da Eli Manning den Ball nicht mehr zu ihm forcieren muss, ist schlimmer.
Für ein paar Tage schien es so, als würden Dave Gettleman den endgültigen Rebuild einleiten, bis er den 30-jährigen Golden Tate mit einem dicken Vierjahresvertrag ausstattete, der selbst nach 2021 noch fünf Millionen Dead Cap verursacht. Nicht nur kostet er die Giants damit einen hohen Compensatory Pick für Landon Collins, er gibt den Divisionsrivalen aus Philadelphia dafür noch einen.
Um mit einer versöhnlichen Note zu enden: Ich mochte den Vernon-Zeitler Trade, das war’s.
Washington Redskins
Die Lage der Redskins schien eigentlich recht eindeutig. Nachdem bekannt wurde, dass Smith mindestens noch die nächste Saison mit seiner schweren Beinverletzung aussetzen muss, fanden sie in Case Keenum einen passablen Bridge QB, um das Roster umzubauen. Dank Smiths Vertrag hatten sie kaum Capspace und nicht das Draftkapital, um ihr Team umzukrempeln, sodass ein Rebuild der richtige Weg gewesen wäre.
Jetzt stehen sie ohne Franchise Quarterback da, zahlen einem überdurchschnittlichen Boxsafety ein astronomisches Gehalt und haben gerade noch das Geld, ihre Draftklasse zu bezahlen. Es riecht nach einer weiteren Saison im Mittelmaß in der Hauptstadt.
Baltimore Ravens
Ich tue mich etwas schwer, die Ravens in dieser Kategorie anzuführen, da Earl Thomas ein gewaltiges Upgrade über Eric Weddle darstellt und mir dieser Move sehr gefällt.
Dennoch verlieren die Ravens ihre zwei primären Edge Rusher, ihren Middle Linebacker und auch die Receiver-Situation konnte nicht adressiert werden.
Mark Ingram wird der Rushing Offense um Lamar Jackson helfen, doch besser geworden sind die Ravens im März sicher nicht.
Leseempfehlungen
Zu guter Letzt möchte ich (James) Interessierten noch kurz zwei Bücher vorstellen, die ich in den letzten Wochen gelesen habe und sehr interessant fand:
In „The Genius of Desparation“ stellt Autor Doug Farrar ausführlich dar, wie sich das Spiel auf dem Gridiron in den letzten hundert Jahren entwickelte. Wann immer ein Coach sich in einer ausweglosen Situation befand, mussten Innovationen her. Sei es die T-Formation, die George Halas bei den Bears in den 20ern etablierte, oder die Wildcat Offense, die unter Dolphins Coach Tony Sparano 2008 für ein paar Wochen die NFL in Schrecken versetzte. Manche Ideen hielten nur ein paar Jahre, andere prägen die NFL bis heute. Lesenswert!
„Gridiron Genius“ von Ex Front Office Mann Michael Lombardi geht in eine etwas andere Richtung.
Er arbeitete in seiner langen NFL Laufbahn mit Größen wie Bill Walsh, Al Davis und Bill Belichick zusammen und legt in seinem Buch einen besonderen Fokus auf die Aspekte Teambuilding, Rosterzusammenstellung und das Etablieren einer „Winning Culture“, von der man gerade bei Neueinstellungen von Trainern so oft hört.
Von der West Coast Offense hört man oft, aber einen Blick hinter die Kulissen der damaligen 49ers zu werfen, war nochmal deutlich interessanter!
Autoren:
- Lars Riedenklau
- James Wiebe
P.S.: James und ich freuen uns natürlich weiterhin über jede Art von Kritik. Wenn Ihr etwas zu meckern, Verbesserungsvorschläge oder sogar Lob übrig habt, dann lasst es uns wissen!